Ansprache von Mag. Christian Leibnitz
Unser Blick richtet sich seit Wochen, Monaten und Jahren auf Krisenszenarien mit globalen Auswirkungen, in die alle Menschen dieser Erde in unterschiedlicher Härte und Dichte mit hineingezogen sind. Besonders betroffen machen uns neben der Pandemie und der Klimakrise die Kriege, die, wie Papst Franziskus es sagt, wie ein dritter Weltkrieg verteilt über alle Kontinente toben. Natürlich schauen wir besonders in die Ukraine und den jüngst neu eskalierenden Konflikt im Nahen Osten mit dem Krieg Israels gegen die Hamas.
Wir schauen auf die weltweite Migrationsbewegung und das unsägliche Leid der Flüchtenden, aus welchen elenden Lebensumständen sie auch immer ihre Heimat verlassen müssen oder wollen. Wir schauen auf das Elend der verfolgten Menschen ob ihrer politischen, religiösen oder weltanschaulicher Überzeugungen. All das, und wir könnten noch vieles aufzählen, hat auch Auswirkungen auf uns hier in der Steiermark, in Graz. Demonstrationen auf allen Ebenen, neu aufbrechender und eben noch lange nicht überwundener Antisemitismus, die Zunahme an Gewalt in Wort und Tat, angefangen von der Politik bis zum Sport, nicht zu vergessen die noch immer zunehmende Gewalt gegen Frauen, die sich in den schrecklichen Femiziden gerade in unserer Steiermark so beschämend niederschlagen. Mitten in diesen Szenarien leben wir Christinnen und Christen in den verschiedenen Konfessionen, leben Glaubende anderer Religionen und Weltanschauungen, und das seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vermehrt eben auch in der Steiermark.
Gerade im Wissen, dass viele Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen neben puren machtpolitischen Ursachen auch einen nicht zu vergessenden religiösen Hintergrund haben, müssen wir uns immer neu unserer ersten Verantwortung bewusst werden, aus unserem Glauben heraus zum Frieden und friedlichen Zusammenleben aller Menschen beizutragen. D.h. auch: nicht nur vom Frieden zu reden sondern ihn auch zu leben. Oberster Maßstab muss dabei die hohe und unantastbare Würde jedes Menschen sein, die dann auch zur Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechtes führt. Als röm.kath. Priester und als Christ lade ich alle ein, sich den Worten aus dem Psalm 8 zu öffnen. Dort staunt der Beter des AT über einen Gott, der dem Menschen solch hohe Würde geschenkt hat. Da heißt es: „Was ist der Mensch, dass du, Gott, an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du es beachtest. Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.“ Wer sich diese Wahrheit verinnerlicht, wird sich nicht mehr gegen Seinesgleichen auflehnen, gewaltsam werden, in den Krieg ziehen und töten. Deshalb warne ich auch vor allen Formen des Extremismus im gesellschaftlichen, politischen und religiösen Bereich. Alle „Ismen“, Nationalismus, Fundamentalismus, Rassismus, Populismus usw. grenzen aus, schließen aus, schaffen Feindbilder und führen oft zu Gewalt und Zerstörung. Das haben sich auch alle Religionen und christlichen Konfessionen hinter die Ohren zu schreiben. Wenn ich schon von Ohren spreche: Hat uns nicht gerade die im letzten Monat stattgefundene Weltsynode in Rom darauf hingewiesen, dass vor allem Reden, vor allem Handeln und vor allem Urteilen das Hören stehen muss? Und sagt uns nicht der gläubige Jude, dass vor allem Bekenntnis zum einen Gott und der Liebe zu ihm das Hören auf ihn stehen muss?– Höre Israel, Gott ist der Einzige und diesen Gott sollst du lieben mit Hirn, Herz und Hand.
Welche Konsequenzen daraus könnten sich für das Ökumenische Forum christlicher Kirchen ergeben? Unser ganzes Bemühen dreht sich ständig um ein besseres gegenseitiges Kennenlernen, um ein geschwisterliches Miteinander, um das Erkennen, dass das Anderssein Reichtum und nicht Verlust ist. Trotzdem gibt es nach wie vor viel Ausgrenzung, Ablehnung und nicht aufgearbeitete Vergangenheit. Und wenn wir jedes Mal bei ökumenischen Zusammenkünften betonen, dass wir und angesichts der großen gesellschaftlichen Herausforderungen und dem in unseren Kirchen zu beobachtenden Schwund an Mitgliedern, nicht auseinanderdividieren lassen dürfen, sondern in großer Geschlossenheit gemeinsam für die hohen Werte unseres Glaubens eintreten, von denen wir glauben, dass sie dem Frieden und dem Wohl der Menschen dienen - wäre es da nicht höchst an der Zeit, dass wir uns im gemeinsamen Haus – und das heißt Ökumene – gegenseitig als wahre Kirche Jesu Christi, verankert in der apostolischen Tradition, anerkennen? Mit der Konsequenz, uns auch gegenseitig Gastfreundschaft im eucharistischen Abendmahl zu geben! Wohl wissend um theologische Diskussionen um Fragen des Amtes, der Sakramente oder des filioque, die uns seit Jahrhunderten entfremdet haben, gilt es, die Einheit unter uns Christen gerade dadurch wieder neu sichtbar zu machen, dass wir einander Anteil geben an der innigsten Gemeinschaft mit Christus im Abendmahl, in der Eucharistie. Diese Einheit hat uns der Hl. Geist zu Pfingsten geschenkt, und zwar für immer, wir sollten sie wieder neu sichtbar und erfahrbar machen. In diesem Sinne freue ich mich auf die Ausführungen von Bischof Michael Bünker und die Hilfestellung der Leuenberger Konkordie auch für diese Frage.
Herzlichen Dank